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Agile Disziplin: Wie sie wirklich und nachhaltig funktioniert

Fokus - 4 Disziplinen Umsetzung

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Was steht “Disziplin” wirklich im Weg? Das größte Hindernis im Arbeitsalltag und, um strategische Ziele zu erreichen, sind die vielen kleinen Ablenkungen, die stets und immer passieren. Das ist ein Fakt. Wobei hier mit Ablenkung nicht “daddeln” oder “Prokastination” gemeint ist, sondern das Tagesgeschäft. Das Tagesgeschäft mit seinen ständigen Dringlichkeiten verwischt wie in dem Bild unseren strategischen Fokus schneller, als wir ihn gebildet haben und sorgt dafür, dass wir uns mit allem Möglichen beschäftigen, aber eben nicht mit der Erreichung der Ziele, die uns wirklich wichtig sind.

Der ungeliebte Grundsatz ist: “Im Konflikt von Dringlichkeit und Wichtigkeit gewinnt immer Dringlichkeit.” Sehen Sie in Ihre Organisation. Operative Einheiten sollten die Transformation umsetzen. Diese stockt, weil es dafür keine Zeit gibt. Und es gibt dafür keine Zeit, weil das Tagesgeschäft immer dringlich ist. Ist das dann Agil?

„Der wahre Feind der Umsetzung einer Strategie ist unser Tagesgeschäft!“

Es ist eine herausfordernde Aufgabe, im ganzen Unternehmen eine Kultur der Zielstrebigkeit zu etablieren. Führungskräfte scheitern oft schon an sich selbst, obwohl sie doch theoretisch alle Fäden in der Hand halten. Der Wunsch des Willens der Führungskräfte, agil längerfristige Ziele zu erreichen, ist allgegenwärtig. Hat die Führungskraft dafür gesorgt, dass alle Mitarbeiter zielstrebig arbeiten können? Haben denn auch alle Mitarbeiter die Ziele klar und eindeutig verstanden? Hier werden gut und gerne die ersten Unterlassungen bis Fehler begangen und hier wird das Wort Fehler wortwörtlich gemeint:

Fehler bedeutet, es hat was gefehlt. Bei einer internationalen Studie gaben ca. 87 Prozent der befragten Menschen an, dass sie nicht oder nicht genau wüssten, wie sie ihre vorgegebenen Ziele erreichen bzw. was sie konkret dazu beitragen können. Transparenz? Klarheit? Die Ziele dieser Befragten wurden nicht auf konkrete ToDos granuliert. Bei 81 Prozent der Befragten wurden auch keine Berichte über den Fortschritt eingefordert.

Kann So ein Engagement entstehen? Engagement wofür? Eher werden diese Ziele und deren Erreichung auf der Prioritätenliste erst schleichend, dann steil weit nach unten rutschen. Warum sollte sich jemand für ein Ziel einsetzen, das er nicht einmal kennt? Und wie kann dieser weitreichende Umstand verbessert, wenn nicht gar umgangen werden?

Die vier Disziplinen der Umsetzung

Die vier Disziplinen der Umsetzung wurden entwickelt, um auf systematische Art und Weise dafür zu sorgen, dass inmitten des Tagesgeschäfts auch die Strategien erfolgreich umgesetzt werden können. Die dann – auch für das Tagesgeschäft – eine Verhaltensänderung bewirken. Verhaltensänderung? Auf jeden Fall, denn eine Strategie ist eine Modifikation von etwas Bestehendendem. Was vorher nicht da war, soll erschaffen werden. Was vorher da war, ist ein bestimmtes Verhalten. Was hinterher da sein soll, ist ein anderes Verhalten. In diesem Fall von der Strategie gewünscht. Somit ist es eine Verhaltensänderung.

Die Ergebnisse der weiter oben erwähnten Studie sind denkwürdig. Was Sie aktuell tun können: Halten Sie Ihre Hierarchie flach. Je mehr Stufen zwischen der Führung und den Mitarbeitern liegen, desto stärker setzt der Stille-Post-Effekt ein. An jedem Übergang der Kommunikation werden die Zielformulierungen erst gebeugt, dann verwaschen. Machen Sie sich die vier Disziplinen der Umsetzung, die jetzt beschrieben werden, nicht nur bewusst, sondern allgegenwärtig. und richten Sie Ihre kommenden Strategien danach aus:

1. Disziplin: Absoluten Fokus verfolgen

Je mehr Sie gleichzeitig erreichen wollen, desto weniger können Sie tatsächlich zeitnah in die Tat umsetzen. Bedenken Sie: Das Tagesgeschäft ist dringlich und gewinnt immer, siehe oben. Die Gefahr ist groß sich zu verlaufen, weil Sie Ihre Ressourcen auf zu viele unterschiedliche Baustellen verteilen. Fokussieren Sie sich deshalb auf ein oder zwei vorrangige Ziele. Vorzugsweise sind das Ziele, die lang- oder mittelfristig Ihr Geschäft weiterbringen. Die sind wichtig. In der Literatur wird von sogenannten WIGs, sprich Wildly Important Goals gesprochen, die nichts anderes als übergeordnete Ziele sind.

Die agile Methode OKR arbeitet z.B. recht intensiv mit Zahlen für übergeordnete Ziele, die dann auf jeder Ebene weiter granuliert wird. Nur fokussierte Arbeit an diesen Zielen, die auch die Mitarbeiter an der Basis verstehen, kann wirklich eine Veränderung in Gang setzen. Anders gesagt: Was “oben” strategisch geplant wird, produziert an der Basis die dafür notwendigen Handlungen. Diese Handlungen summieren sich dann wieder “nach oben” und zahlen auf die Ziele ein. Denken Sie an eine Lupe: Durch die Bündelung von Lichtstrahlen auf Papier oder Stroh entsteht Feuer; Mit vielen einzelnen Sonnenstrahlen gelingt das nicht. Oder können Sie, wenn sie los rennen, in 3 Richtungen gleichzeitig rennen?

Bevor es weiter geht mit den 4 Disziplinen: Was ist den Disziplin überhaupt? Disziplin ist nach meiner Lesart der innere Antrieb, etwas bestimmtes zu wollen UND alles notwendige dafür zu tun. WOLLEN, nicht müssen. Sehen Sie mal tief und genau hin: Wen Sie Disziplin “müssen”, brauchen Sie einen enormen Willen und einen langen Atem der Ausdauer. Der Wille, also das Wollen, benötigt selbst Ausdauer. Die Ausdauer ist ebenfalls Wille. Merken Sie was? Wenn es schon am Willen mangelt, brauchen wir über Ausdauer und Disziplin gar nicht weiter sprechen. Sprechen? Also sagen. Sagen ist nicht wollen, also handeln. Und was Sie sagen, ist nur der Ausdruck eines Wunsches, kein Handeln. Was ist der Gegenpart zur Disziplin? Das ist die Konsequenz. Also immer wieder Anfangen. Anfangen WOLLEN. Wollen wir uns jetzt die nächsten 3 Disziplinen kurz ansehen?

Quelle: Jörg C. Kopitzke

2. Disziplin: Frühindikatoren bestimmen

Im Standard wird eine Zielerreichung mit ergebnisorientierten Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn und Marktanteil gemessen. Der Nachteil ist: Diese Werte sind zum Zeitpunkt der Erhebung bereits Geschichte. Deshalb sollten Sie lieber mit Frühindikatoren arbeiten. Frühindikatoren bzw. deren Kennzahlen sind wie Hebel, die gezielt angesetzt werden und deren Auswirkungen auf das übergeordnete Ziel einzahlen. Sei es direkt oder indirekt. Sind diese Hebel überall zu finden?

Leider nein. Es bedarf Kreativität und mehrerer Iterationen, bis diese gefunden werden. Diese Kennzahlen, einmal, gefunden und verstanden, können von Ihren Teammitgliedern wirksam beeinflusst werden Dazu haben sie Prognosekraft hinsichtlich der Zielerreichung.

Wenn Sie eine herkömmliche Ergebniskennzahl ablesen, ist es oft bereits zu spät, noch Änderungen vorzunehmen. Das Ziel ist erreicht – oder eben auch nicht. Die Ereignisse, die dafür gewirkt haben, liegen in der Vergangenheit und können nicht mehr geändert werden. Wenn Sie beispielsweise abnehmen möchten, wäre Ihr aktuelles Gewicht eine Ergebniskennzahl. Eine Statistik über die Anzahl der Kalorien, die Sie täglich zu sich nehmen und das Ausmaß Ihrer sportlichen Aktivität hingegen wären hervorragende Frühindikatoren. Sie zeigen Ihnen an, wie wahrscheinlich es ist, dass Sie Ihr Wunschgewicht tatsächlich erreichen werden.

Reicht hierfür ein unengagiertes Messen einmal die Woche über 4 Wochen aus? Hier ist die Krux begraben. Nein. Sie brauchen Disziplin und Ausdauer, in diesem Beispiel mindestens täglich auf 6 Monate, um eine valide Vorhersagekraft zu generieren. Jetzt erst können Sie Ihre Maßnahmen zielgerichtet justieren.

3. Disziplin: Fortschritte messen

Hier könnte es ganz einfach gehen, denn der dritten Disziplin geht es darum, das Team emotional zu erreichen. Genau an dieser Stelle wird gerne ein Fehler gemacht. Emotional erreichen ist nicht rational erreichen. Der feine Unterschied dazwischen ist, dass ohne eine Emotion, also eine Verbundenheit zu den Zielen (später dazu mehr), die Mitarbeiter weder Verpflichtung noch Antrieb oder die eigene Chance sehen, sich aktiv einbringen zu können. Warum?

Auch wenn wir in den ersten beiden Disziplinen Ziele und Massnahmen sauber definiert haben, wird das jeweilige Team nur dann seine Höchstleistung erreichen, wenn es emotional engagiert ist. Und Wie? Das passiert, wenn die Teammitglieder jederzeit sehen, ob sie am Gewinnen oder am Verlieren sind. Somit geht es nicht um das Messen von Fortschritten, sondern um das Gefühl, gewinnen zu können.

Es ist erwiesen, dass sich Menschen anders verhalten, wenn sie “ein Buch” über ihre Leistungen führen. Falls Sie das bezweifeln, beobachten Sie eine beliebige Gruppe von Teamsportlern (z.B. Handball) und sehen Sie, wie sich das Spiel verändert, sobald die Würfe und die Zeit gezählt werden. Stellen Sie sich mal vor, es gäbe keine Anzeigetafel …, wie sollen Spieler und der Trainer sich selbst im Spiel engagieren, um gewinnen zu wollen? Menschen bringen die größten Leistungen, die unmittelbar sichtbar sind. Dann kann ein emotionales Engagement entstehen. Und das größte emotionale Engagement entsteht, – auch wieder unmittelbar – wenn die eigene Leistung (des Teams) bekannt ist – das heißt, wenn die Menschen wissen, ob sie siegen oder verlieren. Somit sollten die Fortschritte in einem einfachen, aber motivierenden Team – Scoreboard festgehalten werden.

4 . Disziplin: Regelmäßige Verantwortung fordern

Diese Disziplin ist der Treibstoff für den Motor der gesamten Konstruktion. Es geht um das Verantwortungsbewusstsein, also Verbindlichkeit. Eine Verbindlichkeit schafft Zuverlässigkeit. Wie bei einem Motor, der zu wenig Schmier- oder Treibstoff erhält, ist die Leistung dessen schnell ungenügend. Das Modell kann in sich zusammenfallen, denn ohne die regelmäßige Wiederholung sind weder Iterationen noch ein KVP erreichbar. Schaffen Sie ein Format, ein Meeting z.B., in dem jedes Teammitglied mindestens einmal pro Woche SEINE Verantwortung für einen Beitrag zu seiner Zielerreichung übernimmt. Jeder beteiligte berichtet kurz, was er in der abgelaufenen Woche unternommen hat (seine Aktivitäten für sein Ziel) und wozu er sich in der kommenden Woche gegenüber seinem Leader und den anderen Teamkollegen verpflichtet. Haben Sie das schon mal gesehen? Ganz Klar, die Daylies in Scrum oder die Weeklys in KanBan funktionieren so. Denn so bleiben die Ziele vor Augen, also präsent und können dynamisch an veränderte Umstände angepasst werden.

An dieser Stelle der regelmässigen Verbindlichkeit wird gerne vom Pfad der 4 Disziplinen abgewichen. Erst schleichend, dann öfter … mit den entsprechenden Folgen. Das oberste Prinzip dieser Disziplin ist, dass kein Tagesgeschäft oder Smalltalk dieses kurze Meeting stören oder verhindern sollte. Diese Regeln sollen Ihnen einen Rahmen dafür geben:

Halten Sie die Agenda und den Zeitplan ein. Gleicher Tag, gleiche Zeit. Halten Sie sich knapp und straff, nicht länger als ca 20 min. Wenn Sie Führungskraft sind, sind Sie der Standard, d.h. rapportieren und vereinbaren Sie als erstes Ihre eigenen Commitments. Nutzen Sie für das Treffen ein aktuelle Scoreboard (siehe 3. Disziplin).

Wertschätzen Sie eingehaltene Zusagen, kritisieren Sie nicht, was nicht funktioniert hat, sonder tauschen Sie Erfahrungen aus. Wertschätzen Sie den Mitarbeiter und bieten Sie Hilfe an. Und weil es so wichtig ist, siehe Beispiel Motor: Trotz Tagesgeschäft werden die eingegangenen Verpflichtungen eingefordert. Wenn jemand ein Commitment nicht einhält, auch Sie selbst dann ist es spätestens bis zum nächsten Termin fällig.

Fazit: Was ist mit Agile?

Die 4 Disziplinen funktionieren, weil sie auf Prinzipien aufgebaut sind, nicht auf Methoden oder Praktiken (Prozesse). Praktiken sind situativ und subjektiv und unterliegen der Weiterentwicklung. Die IT hat das bis zur Spitze getrieben und Heerscharen von Consultats und “Agile” Coaches sind damit unterwegs. Genau hier ist einerseits die Schnittmenge und auch die Abgrenzung zur Agilität.

Meine Agilität als Abgrenzung sieht die Methoden, Praktiken und Prozesse nachgelagert. Prinzipien sollten in ihrer Wirkkraft in allen Bereichen der Wirtschaft oder der Entwicklung verstanden sein. Prinzipien sind zeitlos, selbstverständlich und allgemeingültig. Sie sind eine Art Naturgesetz, so wie die Schwerkraft. Ob Sie ihnen zustimmen oder nicht, spielt keine Rolle – sie sind in jedem Fall gültig und liegen somit unter Methoden und Praktiken wie Scrum, Kanban oder skalierte Modelle. Diese funktionieren dann viel besser, wenn diese Prinzipien verstanden sind. Und wo ist die Schnittmenge?

Sehen Sie sich die 4 Prinzipien etwas entfernter an, erkennen Sie den KVP Prozess, Elemente aus LEAN und Abläufe, die es partiell in agile Methoden geschafft haben (z.B. OKR, Scrum, KanBan.) Können diese Methoden ohne ein Basis Set von Regeln leben? Nicht wirklich, denn sie sind die oft postulierten Leitplanken. Wenn Sie nun diese Leitplanken nehmen, das Tagesgeschäft und die strategischen Ziele dort rein legen, haben Sie mit dieser Sicht einen höheren Level in der Agilität erreicht.

Agil ist nicht Scrum usw. sondern wie wendig Sie sich in den allgemeingültigen Leitplanken der heutigen Welt bewegen. Siehe oben: Ziele, Frühindikatoren und das visualisieren. Werden Sie kreativ. Sie werden es sich danken. Und die Organisation mit den Mitarbeitern wird Sie als Führungskraft anders wahrnehmen. Versprochen.


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