Anstatt lesen: Unterwegs hören! |
… sein regulatives Manipulativ
Was für ein sperriger Titel. Danke für das Satz-Pattern, Bastian Sick. Alternativen zum Wahrheitsgehalt dazu gibt es kaum. Warum? Recht einfach: Der Konjunktiv erzeugt in unserem Hirn andere Bilder, die dann zur Entscheidungsfindung heran gezogen werden und: Mit einem Konjunktiv entscheiden Sie anders als wenn dieser gar nicht gesagt wäre (da sind schon die ersten beiden Konjunktive …). Wir steigen somit direkt ein, wie hier in diesen Artikel – dabei vorab auch mein unmittelbarer Dank an Thilo Baum, der mich kommunikativ und die Sophisten (im agilen Kontext) dazu inspiriert haben.
Es gibt 2 gefühlte Stufen an Konjunktiven (so wie ich sie nenne):
1. Stufe: “Hirnschoner”
Es gibt sprachliche Gehirnschoner, die das Denken unterbinden, wie die Aussage: “Diese Maßnahme ist alternativlos.” Oder wenn Mitarbeiter einwenden: “Das haben wir schon immer so gemacht!” Das ist bekannt unter dem Begriff “Totschlagsargument”. Gefühlt soll dann nach dieser Aussage nichts mehr kommen. Dann ist es wichtig, den Prozess durch Fragen dynamisch zu halten. Vorweg: Das ist manipulativ (nicht die Fragen.). Fragen sind immer lösungsorientiert, denn somit erfahre ich, was passieren muss, damit ich oder ein Team zu einem Ergebnis kommt. Ein totes Argument inspiriert zu gar nichts, denn es ist tot.

2. Stufe: “Nebelkerzen”
“Sprechen Sie noch oder werden Sie schon verstanden?”, fragte der Coach … Besser kann der Unterschied kaum plakatiert werden. Was jetzt kommt, kann mitunter latent frustriedend Resignation verursachen – auf jeden Fall aber erstaunen, wenn Sie genau hinhören und noch schneller “schalten.” Die Erkenntnisse daraus sind aus meiner Sicht ein hochagiler Bestandteil im KVP, wenn man daraus lernt (Lernen: Später dazu mehr …). Das ist produktiv.
Was sind Satz- / Sprach-Pattern?
Ich liebe Vorlagen. Ich hasse das Ausfüllen. Ersteres, weil diese, wenn sie ausgefüllt sind, klare und auch oft eindeutigen Antworten liefern, letzteres, weil es gefühlt mehr Zeit kostet, aufwändig ist und richtig Spass macht es auch nicht. Warum? Es zwingt die Gedanke in eine Richtung – die selten dem eigenen Gedankenfluss entspricht. Wiederstand ist somit nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich.
ABER: Gestatten Sie mir diese Fragen: Antworten bekommen, ohne die richtigen Fragen zu stellen? Ein Verständnis herbeiwünschen (heftiges Rubbeln an Aladins Öl-Lampe vorrausgesetzt, die dummerweise gerade nicht zur Hand ist)? Sorry, das wird nicht funktionieren und ist auch nicht agil. Auch in einem agilen Umfeld müssen die richtigen Fragen gestellt und die Antworten in eine passende Struktur gebracht werden, damit die Personen (z.B. links, die Anforderung) das Gesagte auch meinen und die Personen (z.B. rechts, die Macher) das Gesagte und Gemeinte umsetzen können.


Passen diese Muster immer? Nein. Bitte nicht generaliseren. Aber diese Muster passen oft, wenn der böse Konjunktiv nicht wäre. Denn der Konjuntiv ist dem Produktiv sein Regulativ. (Es geht nicht um Grammatik, sondern um die Wirkung, die ausgelöst wird. Achten Sie mal auf Ihre Gedanken. Ihr eigener Gedankenstrom wird unterbrochen – und fokussiert.)
Der trockene Konjunktiv – hervor geholt (Auszug, mehr hier)
Aspekte (Beispiele, hier nur als Auszug) | Modus | Beispiel | Kontra |
Wunsch, Aufforderung | Konj. I | haben, hätte, … (werde) kommen, … | hat aber nicht (wirklich …) |
Irrealität (mögliche, angenommene, gedachte, unwirkliche Sachverhalte) | Konj. II | würde, sollte, müsste, könnte, (würde) kommen, … | impliziert das mögliche Unterlassen (Backdoor) |
Indirekte Rede | Konj. I, II | sei, seien, könne, habe, … | enthält unklare Subtilitäten, = fehlerhafte Interpretation? |
… und schnell wieder weg (gesteckt)
Der Konjunktiv beschreibt eine Möglichkeit, aber nie ein Ziel. Er ist eine implizierte Wahlmöglichkeit, die Ausgeburt der Unverbindlichkeit und hat sicherlich seine Existenzberechtigung. Aber nicht, wenn es um Projekte, klare Ziele und Entscheidungen geht, die weitreichende Kosequenzen haben. Mit solchen Formulierungen hält sich der/die Vortragend(e) ein Hintertürchen offen. Platt gesagt: “Man” steht “irgendwie” nicht zu dem, was man sagt. Nachgefragt: Wer ist “man” und was heisst “irgendwie?”
Es sind Unsicherheiten, die in einigen Bereichen des Lebens nichts zu suchen haben. ‘Ich würde gerne’ … ‘Es könnte klappen’ … ‘Ich würde es gerne versuchen’ … ‘Ich fände es schön’ … ‘Ich könnte mir vorstellen’ … und so weiter – Wer es ernst meint und damit ernst genommen werden will, vermeidet den Konjunktiv und wählt stattdessen Sätze wie: ‘Mein Ziel ist es’ … ‘Die Chancen stehen gut’ … ‘Ich plane’… ‘Mein Vorschlag ist’ … ‘Ich werde’… Schauen, besser hören Sie mal in sich rein und beantworten spontan, welche Muster verbindlicher sind.
‘labernde’ Stilblüten: “Ich ‘krieg’ Krawatte”
Kennen Sie das? Präsentation, Meeting oder Daily StandUp im Scrum oder die kurze Abstimmung zwischen Tür und Angel? Ja, Smalltalk hat seine Existenzberechtigung – aber Small-Talk zur Entscheidungsfindung?

Achten Sie mal gezielt auf diese Worte, hinterfragen diese oder kehren den Sinn wie in der obigen Tabelle als Anregung um. Warnung: Sie werde erstmal langsamer – im Hören und verstehen. Entweder bekommen sie dann eine spontane Ganzkörperallergie oder einen Lachflash – aber wirklich wissen, wass der andere gerade genau gesagt hat, wissen Sie nicht. Weder präzise noch ungenau. Und selbst das sind schon wieder Weichmacher.
Weichspüler in der Sprache sind …
Es gibt sie nicht nur für die Waschmaschine, sondern auch in der Kommunikation: Weichspüler, in unterschiedlichen Qualitäten. Und die gehören, wenn überhaupt, in die Waschmaschine, nicht in die Kommunikation! Die kuschelige Erfahrung in Gesprächen kehrt sich aber häufig ins Gegenteil um, wenn man ein bestimmtes Kommunikationsziel verfolgt. Der emotionale Effekt, der sich im Unterbewusstsein ausbreitet, ist dem umgangssprachlichen “einlullen” ähnlich. Ist zu viel “Wort-Weichspüler” in der Sprechmaschine, bleibt häufig am Ende nur Unverständnis oder gar Streit über das gewünschte Ergebnis.
Ein Beispiel aus dem beruflichen Kontext
“Eventuell würde ich vorschlagen – vielleicht könnten wir schon demnächst mit der Zahnbehandlung beginnen, oder?” Das ist ein klassischer Weichspüler-Satz, der nahezu alle Komponenten enthält, um möglichst unklar zu kommunizieren. Selbstbewusst und eindeutig wirkt der Satz nicht, die Notwendigkeit einer Behandlung bleibt unausgesprochen. Oder: “In meinem Berufsleben läuft eigentlich alles bestens.” Das ist einer der beliebten Weichspüler ‘deluxe’: das Wörtchen “eigentlich”: Im Duden steht über ‘eigentlich’: “…kennzeichnet einen meist halbherzigen, nicht überzeugenden Einwand (aha!), weist auf eine ursprüngliche, aber schon aufgegebene Absicht hin.” Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen …